Rettet uns die Planwirtschaft?

Über grünes Schrumpfen, Eigentumsfragen und Verzichtsdebatten. Gespräch mit Ulrike HerrmannSabine Nuss und Raul Zelik.

Erschienen in der Zeitschrift LuXemburg, März 2024. Das Gespräch führten Eva Völpel und Justus Henze.

Ihr seid euch einig, dass angesichts der Klimakrise der Energie- und Ressourcenverbrauch radikal runtergefahren werden müssen – und zwar geplant. Aber ihr habt Differenzen, wie das geschehen soll. Ulrike, du nennst die britische Kriegswirtschaft im Zweiten Weltkrieg als Vorbild. Warum dieses Modell?

ulrike herrmann: Wir haben nur noch sehr wenig Zeit, um grünes Schrumpfen zu organisieren. Deshalb brauchen wir Modelle, die bereits funktioniert haben. Die Briten mussten im Zweiten Weltkrieg ihre zivile Wirtschaft schrumpfen, um in den Fabriken genug Kapazitäten zu haben, Waffen für den Kampf gegen Hitler zu produzieren. Heraus kam eine demokratische private Planwirtschaft. Das Eigentum an den Fabriken blieb erhalten. Manager und Eigentümer konnten in ihren Fabriken machen, was sie wollten, aber sie mussten die Zielvorgaben des Staates erfüllen. Die knappen Güter, die so entstanden, wurden rationiert. Arme und Reiche bekamen das Gleiche, das war sehr wichtig für die gesellschaftliche Akzeptanz. Die Kriegswirtschaft nutze ich als eine Analogie, das muss man nicht alles so kopieren.

Das heißt, Planwirtschaft und Kapitalismus schließen sich nicht aus?

ulrike herrmann: Nein. Im Kapitalismus wird auch staatlich geplant. Die Idee der Marktwirtschaftler, dass der Staat nur stört, während auf einem freien Markt freie Individuen großartige Leistungen vollbringen und Preise alles regeln, ist falsch.

raul zelik: Ja, auch im Kapitalismus wird geplant, und zwar mittlerweile viel umfassender, als es in jedem sozialistischen Staat getan wurde. Wir müssen uns nur ansehen, wie Amazon seine Produktions- und Lieferketten aufeinander abstimmt. Entscheidend ist also nicht die Frage, ob geplant wird, sondern zu wessen Gunsten. Die existierende Planung muss demokratisiert werden. Sie darf nicht mehr ausschließlich der Steigerung von Profiten und nationalstaatlicher Macht dienen, sondern muss sich an den Interessen der globalen Mehrheit orientieren.

Und wir brauchen eine wirtschaftliche Planung zur Bekämpfung der Klimakrise.

raul zelik: Genau. Wobei die Klimakrise nur eine von mehreren ökologischen Großkrisen ist. Der Stoffwechsel des Kapitalismus mit der Natur ist viel zu groß. Wenn man das ändern will, muss man Geschäftsbereiche schließen, etwa fossile Industrien. Was wir brauchen, ist eine politische Einschränkung der Macht des Kapitals. Das scheint mir etwas ganz Anderes zu sein als die Kriegswirtschaft, von der Ulrike spricht.

sabine nuss: Ich kann mich Raul in Vielem anschließen, aber ich würde den Begriff der Planung nicht so starkmachen. Erstens ist der Begriff historisch besetzt, und man muss dann immer erst erklären: Nein, ich meine nicht die zentrale Kommandowirtschaft wie in der DDR. Zweitens muss jede Gesellschaft ihre Produktion und Verteilung planen, das ist also nichts Spezifisches. Drittens, und das ist der wichtigste Punkt, klingt es so, als ginge es um eine stärkere Planung der Prozesse, die es jetzt schon gibt. Es geht aber um eine ganz andere Art der Planung mit anderer Zwecksetzung, mit anderen sozialen Beziehungen, ohne Ausbeutungsverhältnisse. Das geht im Planungsbegriff unter.

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Herzlich Willkommen. Hier schreibt Sabine Nuss, Publizistin und Autorin, über die Welt des Kapitals, über Arbeit und Natur, über das Privateigentum, aber vor allem: Wie alles mit allem zusammenhängt, wie es uns bewegt, wie wir es bewegen. Manchmal auch über Alltägliches.

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